Österreichs Politiker beweisen in diesen Tagen wieder einmal, dass sie nicht bereit sind, sich mit der Bewältigung der Realität auseinanderzusetzen. Denn immer wieder geht es auch in elementaren gesellschaftspolitischen Fragen bloß um die unter den österreichischen Politikern aller Farben so beliebten Scheingefechte um Zentralismus und Föderalismus. Über drei aktuelle Beispiele drängt es deshalb Capa-kaum zu reflektieren.
Da ist zum Beispiel die jüngste politische Debatte um die Asylwerber in Österreich. Hier ging es nicht um die Selbstverständlichkeit, wie jemand, der um Aufenthalt in Österreich ansucht, in der ersten Zeit den Behörden vollumfänglich zur Verfügung stehen soll (und wenn er ernsthaft bemüht ist, dies ja auch will, um die Erledigung seines Ansuchens möglichst schnell zu erreichen). Auch nicht um die grundsätzlichen Fragen rund um Asylwerber und Migranten – ganz abgesehen davon, dass durch Thilo Sarrazins Buch im Nachbarland eben eine breite und tief gehende Diskussion angestoßen wurde. Nein: Österreichs Regierungskoalition stritt simpel um einen Begriff. Ergebnis: Nun heißt dieses Zur-Verfügung-stehen eben nicht „Aufenthaltspflicht“, sondern „Mitwirkungspflicht“.
Oder die Debatte über das Schulsystem. In der geht es nicht um Lehrinhalte und sinnvolle Ausrichtung für die Zukunft, sondern um Strukturen und politischen Einfluss: Die Bundesländer-Häuptlinge sehen die ideale Zeit gekommen, die Möglichkeit zur Bestellung von Schuldirektoren und zur Schulorganisation in ihren Machtbereich einzugemeinden. Und dass ausgerechnet Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (dessen Lektüre nach eigener Angabe bloß Karl Mays „Schatz im Silbersee“ ist) dem Kärntner Amtskollegen Gerhard Dörfler (der seine Unbedarftheit wiederholt zur Schau stellt) im Fernsehinterview unverhohlen vorwirft, dem Sitzungsverlauf offensichtlich nicht folgen zu können, verstärkt noch das Bild, das Österreichs Spitzenpolitiker abgeben.
Schließlich die leidige Frage der Spitalsreform, die seit vielen Jahren nicht vom Fleck kommt, weil Landes- und Gemeindepolitiker auf „ihrem“ Krankhaus beharren, möge auch das nächst gelegene, ähnlich ausgestattete bloß 20 oder 30 Kilometer entfernt sein. Auch durchaus vernünftige, erhebliche Kosten sparende Konzepte von Gesundheitsministern wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten aus „politischer Räson“ verworfen und stattdessen der jeweilige Minister gefeuert. Nun steht der gegenwärtige Amtsinhaber Alois Stöger bereits auf der Abschussliste.
Capa-kaum muss feststellen: Es ist diese Mischung aus Kleinkariertheit und parteipolitischem Ränkeschmieden, die den Großteil von Österreichs Politikerkaste bedauerlich unernst und jedenfalls verantwortungslos erscheinen lassen. Denn fundierten Lösungen für die Zukunft gehen sie damit aus dem Weg.