Hat sich unsere Gesellschaft schon damit abgefunden, dass auch für seriöse Leistungen nichts bezahlt wird? Oder erfasst der Trend zu „Gottes Lohn“, wie das so schön euphemistisch heißt, einfach so schleichend immer weitere Teile des Wirtschaftslebens, dass er von allzu Vielen gar nicht richtig wahrgenommen wird? Anders kann sich’s Capa-kaum nicht erklären, dass zur jüngsten Neuentdeckung des „lohnfreien Arbeitens“ kein besonderer medialer Aufschrei zu registrieren war. Geht es doch überdies gerade um die Medienlandschaft.
Da will nämlich die bisher in den USA erfolgreiche Internet-Zeitung Huffington Post ab Herbst mithilfe der Burda-Tochter TomorrowFocus AG eine deutsche Ausgabe lancieren und sucht dafür Redakteure und Schreiber. Allerdings: Bis auf einige wenige Planstellen sollen vor allem freie Mitarbeiter für den Inhalt sorgen – und das jedenfalls „für Gottes Lohn“. Man sucht dafür, ganz offiziell, eine möglichst große Anzahl von kostenlos schreibenden Bloggern, Promis und Experten. In den USA sind es immerhin 40.000 Schreibbegeisterte, denen die Online-Publikation ihrer Beiträge wichtiger ist als Geld.
Ein unschlagbares Geschäftsmodell: Man appelliert an Prestigesucht und Machtgefühl aller Jener, die sich als Autoren berufen fühlen. Und braucht kein Honorar dafür im Budget einzuplanen. Galt bis vor einigen Jahren noch immer die alte Sichtweise „Was kostenlos ist, hat keinen Wert“, lautet jetzt die Devise: „Was kostenlos geliefert wird, bringt umso größeren Gewinn“. Man denke nur an die zahllosen Praktikanten, die froh sind, irgendwo nach dem Schulabschluss oder neben dem Studium ein paar Monate in zum Teil völlig ausbildungsfernen Arbeiten ihre Erfahrungen sammeln zu können – sie haben zumindest etwas zu tun, meinen sie, auch wenn sie für ihre Leistung nicht bezahlt werden. Was ja auch oft ganz eindeutig gleich in Inseraten entsprechender Stellenangebote steht.
Und dann gibt’s für den Arbeitgeber, der zwar Arbeit gibt, aber keinen Lohn, noch einen weiteren Mehrwert: Er kann sich auf diesem kostenschonenden Weg immer wieder „die Rosinen“ aus diesem Angebot der Leistungsbringer heraus picken – wenn nämlich einer der Gratisarbeiter ganz besonders entspricht. Und deshalb funktioniert dieses System der Null-Lohn-Praktikanten und Gratisjournalisten so perfekt: Denn wer will etwa im Medienbusiness nicht in der Hierarchie aufsteigen – vom Kostenlos-Schreiber zum echten Journalisten?
Immerhin hat zwar der Deutsche Journalisten-Verband ein „akzeptables Honorarmodell“ eingemahnt. Warum soll aber ein Medienarbeitgeber auf Gratisleistungen verzichten, wenn ihm diese von zahlreichen Möchtegern-Autoren angeboten werden? Auf die Qualität des Inhalts kommt’s ohnedies wohl nicht an.
Traurig jedenfalls, dass das alte Konzept der Wiener Heurigenmusiker „Ohne Geld ka Musi“ so gar nicht mehr gilt.